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Gedanken zum Nenbutsu und Rev. Manshi

von Meik Nörling

Vor etwa einem Monat hatte ich hier einige Gedanken zum Nenbutsu und zu Yunqi’s „Zen-Peitsche“ dargelegt, die mir bei Zen-Sesshin gekommen waren. Zu diesen Sesshin, in unserem Tempel Butsugenji in Lippstadt, begleitet mich aktuell aber nicht nur die „Zen-Peitsche“, sondern auch Manshi Kiyozawa’s „Skelett einer Religionsphilosophie“. Ich muss allerdings zugeben, dass mich eher die anderen Texte in dem kleinen Sammelband von und über Rev. Manshi inspirieren, nicht so sehr sein enthaltenes, namensgebendes Haupt-Essay.

Manshi Kiyozawa (1863-1903) hatte nicht beim Studium von Buddha’s Lehren und Shinran Shonin’s Texten und beim Sprechen des Nenbutsu („Namo-Amida-Butsu“) haltgemacht, sondern machte sich auf, selbst zu erfahren, was Shinran erfahren hatte. So übte er zeitlebens auch immer wieder Kritik am damaligen buddhistischen Mainstream Japans, führte ein asketisches Leben und versuchte Shinran’s Einsichten und Erfahrungen nachzuvollziehen. Dieses Erfahren nannte er „Religiöse Gewissheit“.

Wenn ich Yunqi’s Empfehlung, fortwährend das Nenbutsu im Geiste zu behalten, mit Manshi’s Ansatz zu seiner Religiösen Gewissheit vergleiche, dann ist da oberflächlich betrachtet ein großer Unterschied. Während Yunqi darauf abzielt, den Geist „leer“ zu machen und einzig mit „Namo-Amida-Butsu!“ zu füllen, scheint es bei Manshi auf den ersten Blick eher um eine Art Grübelei zu gehen. Das trifft tatsächlich aber nicht zu. Letztlich geht es beiden Meistern ums Loslassen, ums Sich-überlassen und ums Nenbutsu. So schreibt Manshi: „Was ist also die wichtigste Grundlage unseres Lebens? Es ist unser Vertrauen in die Kraft-jenseits-des-Selbst.

Ebenso wie Shinran kam auch Rev. Manshi nach Jahren der persönlichen Suche zu der Erfahrung, dass es auf das Vertrauen in den Buddha ankommt, und so ist seine Religiöse Gewissheit wohl nichts anderes als Shinjin. Er drückt das wie folgt aus: „Die Kraft des Tathagata ist grenzenlos. Die Kraft des Tathagata ist unvergleichlich. Die Kraft des Tathagata ist allgegenwärtig. Sie erfüllt alles und wirkt frei und ungehindert. Wenn ich mich der wunderbaren Kraft des Tathagata überlasse, habe ich großen Frieden und bin getröstet. Ich vertraue die große Frage von Leben und Tod dem Tathagata an und kenne keine Angst und keine Unzufriedenheit mehr.“ Was sind diese Erkenntnisse anderes als Ausdruck des Nenbutsu, das ja wörtlich auch „Sich die Gegenwart des Buddha ins Bewusstsein zu rufen“ heißen kann?

Obwohl es bei unseren Sesshin – der Zen-Tradition Harada Daiun Sogaku‘s und Harada Daisetsu Tangen‘s folgend – durchaus darum geht, eine persönliche Erfahrung des Erwachens zu realisieren, also nicht nur ums bloße Sitzen, unterstreichen Aussprüche wie „Wirf dich hinein in das Haus des Buddha, und alles wird getan von Buddha“ (Harada Daisetsu Tangen), dann doch, dass es letztlich ums Loslassen und ums Vertrauen geht. Und da ist Rev. Manshi sicherlich ein großes Beispiel, ein großer Quell der Inspiration!

Ebenso war Manshi Kiyozawa auch Lehrer und Wegbereiter vieler auf ihn folgender Shinshu-Lehrer, besonders jener der Jodo Shinshu Higashi-ha, etwa Rev. Akegarasu Haya (1877-1954).

Aber auch sonst hatte Manshi den Buddhisten seiner Zeit viel zu sagen – nicht nur den Shin-Buddhisten: „Wiewohl der Buddhist im Einssein lebt, hängt er nicht daran. Er lebt in der Vielheit, doch auch an ihr hängt er nicht. Im Überweltlichen [seiend], vergisst er das Weltliche nicht; im Weltlichen [seiend], geht er nicht auf in der Jagd nach Ruhm und Reichtum. Mitgefühl und Weisheit wirken in ihm harmonisch zusammen und stellen keinen Widerspruch dar. Dies sind die wahren Eigenschaften eines Buddhisten.

Ich meine, es ist zu sehr vereinfacht, wenn man Zen und andere japanische Richtungen in die Jiriki-Schublade („Eigenkraft“) und Jodo Shinshu in die Tariki-Schublade („Andere Kraft“) hinein schiebt – so einfach und polarisierend funktioniert das aus meiner Sicht nicht! Letztlich geht es darum, den Mittelweg zu finden, vielleicht sogar den eigenen, ganz persönlichen Mittelweg. Und wenn man bereits das Nenbutsu gesprochen bzw. geübt und Vertrauen in den Buddha gefasst hat, warum sollte der Tathagata einen dann nicht erretten? Sollte der Unbegrenzte Buddha da etwa kleinlich sein und Schubladendünkel an den Tag legen? – Ich denke nicht! Schon Honen Shonin diktierte in seinem „Ichimai Kishomon“: „Sprich einfach ‚Namo-Amida-Butsu und glaube ohne Zweifel an deine Hingeburt. Weiter ist nichts erforderlich“.

Myogo-Kalligraphie („Namo-Amida-Butsu“) im Besitz des Eko-Haus.

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